„Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war. Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1. Korinther 13, 8–17)

Ganz unterschiedliche Reaktionen hat dieser großformatige „Blickfang“ ausgelöst — genau das war beabsichtigt. Denn Bilder wollen nicht die Frage stellen „Gefalle ich dir?“ sondern: „Was siehst du?“ Hier nun eine kleine „Sehhilfe“, in der ich versuche, Sie in die Gedanken und Gefühle mithineinzunehmen, die mich zu diesem Bild angeregt haben.

Gewebe

Den Untergrund bildet ein Gewebe, ein Ineinander von horizontalen und vertikalen Fäden.
Gewebe als Symbol für das Miteinander in der Gemeinde. Zusammen entsteht aus den vielen einzelnen Fäden etwas Neues, Größeres — ein tragfähiges Beziehungs-Netz, in dem sich jeder aufgefangen und gehalten fühlen kann.
Gewebe als Symbol für Lebens-Geschichte. Wir Menschen sind hineingewoben in diese Welt mit allen Licht- und Schattenseiten. Wir leben hier auf dieser Erde. Das Gewebe hat keinen erkennbaren Rand, es geht darüber hinaus, ist quasi endlos. Damit sehen wir nur einen Ausschnitt aus einem viel größeren Bild, ein Stück aus einer viel größeren Geschichte. Einer Geschichte, in der sich Gottes vertikale Fäden immer wieder mit unseren irdischen, horizontalen kreuzen.

 

Blau, Weiß, Gold

Zentraler „Blickfang“ ist der Bibelvers, der bis zum Umbau 1999 an genau dieser Wand des Gemeindesaales zu lesen war und der auch die Stirnwand des alten Saales im Haus des BFeG schmückte: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“
Jesus Christus ist das helle Licht in unserem „nachtblauen“ Gestern und Heute, erfüllt von Sehnsucht und Hoffnung auf die „rahmensprengende“ Ewigkeit. Die Farben Gelb-Gold und Blau zitieren dabei das Bild an der Stirnwand (siehe Seite 4).

 

Alles klar?

Beim Versuch, den Text zu lesen, strengt man die Augen an, um scharf zu sehen, was nicht scharf zu sehen ist. Manch einer zweifelt dabei an der Stärke seiner Brillengläser. Die oft als selbstverständlich hingenommene Aussage wird auf diese Weise zur provozierenden Frage. Ist wirklich alles klar? Sind gut bekannte biblische Aussagen wirklich so „klar“? Oder läuft in meinem, in Ihrem Leben wirklich alles so glatt, ist so eindeutig zu sehen, wie wir das gerne hätten? Das wäre schön. Zu schön. Doch da gibt es Fragen, Unsicherheiten, Unschärfen — wie in einem matten Spiegel. (Das meinte Paulus in seinem Brief an die Korinther mit dem Wort „Spiegel“, denn damals waren sie alles andere als klar und scharf.) Die Sätze unserer Lebensgeschichte sind nicht mit einfarbigen, gleichgroßen Wörtern in einer geraden Reihe geschrieben. Zum Leben gehören unterschiedliche Farben und Akzente, gehört Wichtiges und Unwichtiges, Auf und Ab, Groß und Klein. Dieses Leben, diese Bewegung, steckt auch in dem Wandbild.
Ich wünsche mir selbst und jedem, der dieses Bild sieht, dass die richtigen „Lebens“-Wörter groß geschrieben werden. Und dass wir bei allem, in das wir hineingewoben sind, nie aus dem Auge verlieren, wer unsere Hoffnung ist, wer vor allem da war, ist und bleiben wird: Jesus Christus. Und dass wir mit ihm in Ewigkeit leben dürfen.